Mythos: Anwartschaft & Wiederaufnahme in die Krankenversicherung nach Auslandsaufenthalt
Hinweis: Es gibt einen neuen, umfassenden Artikel zur gesetzlichen Krankenversicherung bei Auslandsaufenthalt.
Auf Nachfrage bei meiner damaligen Krankenversicherung (BKK-VBU) wurde mir vor ein paar Jahren gesagt, dass ich bei kompletter Kündigung kein Recht auf Wiederaufnahme habe und mir deshalb eine Anwartschaft für ca. 20 Euro im Monat empfohlen wurde.
Ich habe mich damals dennoch gekündigt und das Restrisiko in Kauf genommen. Nach der Rückkehr wurde ich ohne Probleme wieder aufgenommen.
Anders sah es bei einem Freund von mir aus, der nach der Rückkehr um Zahlung der kompletten Beiträge für die letzten 12 Monate „gebeten“ wurde. Nach endlosen Diskussionen entschied er sich dann letztendlich für einen anderen Versicherer.
Ich habe mich immer gefragt, wozu diese Anwartschaft trotzt gesetzlicher Versicherungspflicht notwendig sein sollte?
Liegt es denn nicht in der Verantwortung der Krankenkassen uns in Deutschland zu versichern?
Die Antworten, die im Internet gefunden werden können, und auch die der Mitarbeiter in Krankenkassen, sind äußerst unbefriedigend. Es läuft immer darauf hinaus, dass es zwar im Grunde eine Versicherungspflicht in Deutschland gibt, die Versicherer jedoch das letzte Wort haben.
Dieser Beitrag soll dir bei der Entscheidung helfen, wann die Anwartschaft keinen Sinn macht und wann sie nützlich sein könnte. Auch wenn alle Infos gründlich recherchiert sind, solltest du im Zweifel immer deine eigene Krankenkasse fragen, bevor du ins Ausland gehst.
Generelle Fakten zur Krankenversicherung in Bezug auf Auslandsaufenthalte:
- Seit der Gesundheitsreform aus dem Jahr 2007 besteht für alle Menschen mit Wohnsitz in Deutschland eine Krankenversicherungspflicht (privat oder gesetzlich)
- Anwartschaften sind sowohl für private als auch gesetzliche Versicherungen möglich
- Ohne gemeldeten Wohnsitz in Deutschland besteht kein Anspruch auf Aufnahme in eine gesetzliche Krankenversicherung (gilt auch für die meisten deutschen Auslandskrankenversicherungen)
- Als Student ist die Krankenversicherung nicht optional. Solange du an einer Uni/FH eingeschrieben bist, benötigst du eine deutsche Krankenversicherung (auch während eines Auslandssemesters)
- Bei einem Auslandsaufenthalt von über 6 Monaten ist der gewöhnliche Aufenthaltsort nicht mehr in Deutschland, so das keine Krankenversicherungspflicht mehr besteht
Versicherunspflicht in der gesetzlichen und privaten KV
“Alle Bürger, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben, deren Wohnsitz in Deutschland liegt und die zuletzt gesetzlich krankenversichert waren, werden kraft Gesetzes in die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen. Dies gilt auch für Bürger, die nach einem langen Auslandsaufenthalt wieder nach Deutschland zurückkehren, wenn sie vor ihrer Auswanderung zuletzt in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert waren.” (Quelle: BMG)
Im Grunde wird auf den Seiten des Gesundheitsministeriums gesagt, dass alle in Deutschland gemeldeten Personen nach der Rückkehr vom Auslandsaufenthalt der Versicherungspflicht unterliegen.
Fakt ist: du bekommst auch ohne Anwartschaft nach der Rückkehr aus dem Ausland immer eine private oder gesetzliche Krankenversicherung. Ohne Nachweis von deinem Versicherungsschutz während der Abwesenheit oder bei verändertem Gesundheitszustand kann die Wiederaufnahme jedoch teuer werden.
„Nach § 12 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) sind die privaten Versicherer dazu verpflichtet alle Personen im sogenannten Basistarif aufzunehmen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig sind. Die Leistungen im Basistarif sind in Art, Umfang und Höhe mit den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar. Der Beitrag im Basistarif darf den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung nicht überschreiten.“
Nicht versicherungspflichtige Personen sind Selbständige, Rentner, Beamte oder geringfügige Beschäftigte. Die privaten Krankenversicherer müssen dich also nach deiner Rückkehr wieder versichern, wenn du in diesen Personenkreis fällst, wenn auch nur mit abgespeckten Leistungen.
Als Angestellter hast du automatisch Versicherungsschutz über deinen Arbeitgeber, ansonsten kannst du dich zum Basistarif freiwillig privat versichern.
Personengruppen die definitiv keine Anwartschaftsversicherung brauchen
Für einige Personen mag die Anwartschaft noch sinnvoll sein, für andere ist sie komplett überflüssig. Viele Aussagen zu diesem Thema sind eher schwammig. Wenn du jedoch in eine der folgenden Kategorien fällst, dann brauchst du über die Anwartschaftsversicherung nicht nachzudenken.
Angestelltenverhältnis nach Rückkehr vom Auslandsaufenthalt
„Keine Zugangsprobleme entstehen in der Regel dann, wenn bei Rückkehr aus dem Ausland eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Inland aufgenommen wird. (…) Die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit begründet hingegen kein Beitrittsrecht.“ (Quelle: BMG)
Ganz klar. Wer sich sicher ist, dass er nach der Rückkehr aus dem Ausland seinen alten Job wieder antritt oder der Jobsuche optimistisch entgegensieht, der kann sich die Anwartschaft getrost sparen. Mit dem Eintritt ins Angestelltenverhältnis gibt es keine Probleme mit der gesetzlichen Krankenversicherung.
Ein Angestelltenverhältnis nach der Rückkehr garantiert die Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse.
Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung, Praktika oder ähnliches nach Rückkehr
„Personen, deren Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung durch Beschäftigung im Ausland endete und die innerhalb von 2 Monaten nach Rückkehr in das Inland eine versicherungsfreie Beschäftigung aufnehmen, können der gesetzlichen Krankenversicherung als freiwilliges Mitglied beitreten, ohne dass Vorversicherungszeiten erfüllt sein müssen. Der Beitritt ist der Krankenkasse innerhalb von drei Monaten nach Rückkehr in das Inland schriftlich anzuzeigen (§ 9 Absatz 2 Nummer 5 SGB V). (Quelle: BMG)
Zur Erklärung: Eine versicherungsfreie Beschäftigung sind Anstellungen als Beamter, Soldat, geringfügig Beschäftigter, unbezahlter Praktikant und andere Randgruppen.
Freiwillig Versicherte können Arbeitnehmer mit einem regelmäßigen Einkommen von über 4.462,50 pro Monat (Stand 04/2014), Selbständige, Studierende ab dem 15. Fachsemester oder dem 30. Geburtstag, Rentner, Beamte und nicht Erwerbstätige sein.
Die Aufnahme einer versicherungsfreien Beschäftigung 2 Monate nach der Rückkehr sorgt für die problemlose Wiederaufnahme.
Auslandsentsendung von Angestellten
„Personen, die im Inland Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse sind und im Rahmen eines im Inland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses ins Ausland entsandt werden (§ 4 Absatz 1 SGB IV), bleiben während des vorübergehenden Auslandsaufenthalts in Deutschland gesetzlich krankenversichert, so dass nach der Rückkehr in das Inland keine Zugangsprobleme zur gesetzlichen Krankenversicherung bestehen.” (Quelle: BMG)
Wer über den Arbeitgeber ins Ausland gesendet wird, der sich braucht sich über die Anwartschaft keine Gedanken machen. Die Mitgliedschaft in der heimischen Krankenkasse läuft ununterbrochen weiter.
Befristet entsandte Angestellte ins Ausland bleiben Mitglied der heimischen Krankenkasse.
Wann die Anwartschaftsversicherung Sinn machen kann
„Eine Anwartschaftsversicherung kann notwendig sein, wenn das Mitglied seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt vorübergehend außerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hat, sodann nach Deutschland zurückkehrt und wieder Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse werden will. (…) Betroffenen ist vor dem Auslandsaufenthalt immer die Kontaktaufnahme mit ihrer Krankenkasse zu empfehlen.“ (Quelle: BMG)
In der Theorie soll die Anwartschaft dafür sorgen, dass du nach der Rückkehr nach Deutschland problemlos wieder in die Krankenkasse aufgenommen wirst. Außerdem bleiben während der Anwartschaft trotz verminderter Beiträge die vollen Ansprüche aus der Pflegeversicherung bestehen.
In der Dauer der Anwartschaft werden ermäßigte Beiträge (10% – 30%) bezahlt und die Mitgliedschaft läuft quasi ununterbrochen weiter. Natürlich besteht während der Anwartschaft kein Leistungsanspruch für eventuell anfallende Kosten. Dafür ist die Auslandskrankenversicherung da.
Mit der Anwartschaftschaftsversicherung kann die problemlose Wiederaufnahme in die Krankenkasse „erkauft“ werden.
So die Theorie … die Praxis sieht anders aus.
In der gesetzlichen Krankenversicherung haben das Eintrittsalter und eventuelle Vorerkrankungen keine Auswirkung auf die Höhe der Beiträge. Auch Wartezeiten und Gesundheitsprüfungen gibt es nicht. Alle Versicherten haben grundsätzlich bei gleichem Status den gleichen Leistungsanspruch. (Quelle: AOK)
Anhand dessen ist die Anwartschaft zur Absicherung von Vorerkrankungen bei gesetzlichen Krankenkassen also absoluter Unsinn. Als Mitglied der gesetzlichen Krankenkasse besteht der einzige Vorteil darin, dass auch weiterhin Beiträge in die Pflegeversicherung eingezahlt werden, was bei Arbeitsunfähigkeit oder schlimmeren Fällen wichtig wird.
Die Anwartschaft ist also eher für Privatversicherte von Nutzen. In den folgenden Fällen würde es meiner Meinung nach Sinn machen, eine Anwartschaftsversicherung abzuschließen:
- Bei verändertem Gesundheitszustand durch Erkrankung/Unfall während des Auslandaufenthaltes
- Bei allen anderen Vorerkrankungen, die von der privaten Krankenversicherung ausgeschlossen werden könnten
- Bei einer Reisedauer von mehr als 2 Monaten
- Bei Regierungswechseln und sich ändernder Gesetzeslage
Bei der privaten Krankenversicherung erfolgt die Aufnahme nach Erfüllung der Voraussetzungen nur nach Überprüfung des Gesundheitszustandes. Bei Vorerkrankungen oder für Risikogruppen besteht die Gefahr, dass du nur zum Basistarif aufgenommen wirst oder hohe Zuschläge bezahlst, so auch nach der Rückkehr vom Auslandsaufenthalt.
Durch eine Anwartschaft in der privaten Krankenversicherung kann der heutige Gesundheitszustand sozusagen konserviert werden und bei (Wieder-)Eintritt in die private KV in der Zukunft wirst du ohne erneute Prüfung versichert.
Fazit: Sinnvoll ist die Anwartschaft für privat und freiwillig gesetzlich Versicherte.
Update: dank einiger sehr hilfreicher Kommentar (besonderer Dank an den Krankenkassenfuzzi), an dieser Stelle ein Punkt, der für die Anwartschaft in der GKV sprechen kann. Es geht um den Leistungsausschluss nach § 52a SGB V:
“Auf Leistungen besteht kein Anspruch, wenn sich Personen in den Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs begeben, um in einer Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 oder auf Grund dieser Versicherung in einer Versicherung nach § 10 missbräuchlich Leistungen in Anspruch zu nehmen…”
Das bedeutet einfach übersetzt: Wer keine Anwartschaft abgeschlossen hat und krank zurückkehrt, dem wird die Leistung im Zusammenhang mit dieser Erkrankung verwehrt, trotzdem er wieder in der Krankenkasse versichert ist (gilt auch für Angehörige, die familienversichert werden). Bei einem Schnupfen sicherlich kein Problem, bei Krebs (Krankenhaus, Reha etc.) sieht die Sache dann aber anders aus. Unabhängig davon ist Derjenige dann arbeitsunfähig. Normale Versicherungspflicht durch Aufnahme einer Beschäftigung oder Arbeitslosengeldanspruch ist Fehlanzeige.
Am Ende ist die Anwartschaftsversicherung eine Risikoabsicherung, besonders für Privatversicherte. Empfehlen würde ich die Anwartschaft für Selbständige, die für mehrere Monate im Ausland bleiben.
Als gesetzlich Versicherter würde ich diese Anwartschaft nicht in Anspruch nehmen. Die fehlenden Einzahlungen in die Pflegeversicherungen würde ich lieber durch eine private BU oder Vorsorge ausgleichen.
Meine ganz persönliche Lösung: nach der Abmeldung meines Wohnsitzes aus Deutschland bin ich bei dem internationalen Versicherer IntegraGlobal gut aufgehoben. Mit dieser Versicherung bin ich weltweit abgedeckt. Probleme könnte es lediglich bei einer langfristigen Rückkehr nach Deutschland geben, worüber ich mir jetzt aber noch nicht den Kopf zerbreche.
Hast du Erfahrungen mit der Anwartschaft und Rückkehr in die Krankenkasse nach dem Auslandsaufenthalt?